HER (& KINGS COUNTY) | REVOLUTION

  • Roachford

„The Revolution introduced me to art, and in turn,
art introduced me to the Revolution!“  Albert Einstein

„You say you want a revolution
you know, we all want to change the world“  The Beatles

Wenn in der Kunst die Revolution ausgerufen wird, dann wird meist auch mächtig Dampf abgelassen. HER lassen von Natur aus schon mächtig Dampf ab. Das Sextett aus New York City gleicht auf Konzertbühnen einem Kampfgeschwader des Rock’n’Roll, angeführt von HER (alias Monique Staffile), einer blonden Amazone mit kraftvoller Stimme, deren Performance-Qualitäten mit der Wucht von Charlize Theron in „Mad Max: Fury Road“ locker mithalten können. Die hyperaktive Sängerin und Frontfrau, wahlweise Tom Boy und Rock Vamp, Biker Lady und Femme Fatale, ist das Zentralgestirn der Band, die sich auf das Kraftfeld ihrer Mitstreiter, allen voran Mastermind Caleb Sherman verlassen kann. In ihren furiosen Shows stürmen HER die Barrikaden und reißen mit ihrem gewagten Cocktail aus Country, Southern Rock, HipHop und allem, was die pure Freude an AC/DC-Riffs, Banjo-Wahnsinn und Cajun-Euphorie ausmacht, jegliche vorgegebenen Genregrenzen mit Lust und Leidenschaft nieder. Da endet das Abenteuer aber noch lange nicht.

Die wahrscheinlich auch durch Ritalin nicht aufzuhaltende Experimentierlust von HER hat sich in höchst unterschiedlichen Alben niedergeschlagen. Vor zwei Jahren erschien mit „Raise To Hell“ eine erste Karriereretrospektive der seit weit mehr als zehn Jahren bestehenden Band, die damals noch HER & Kings County hieß und mit diesem Album ihren Einstieg auf dem europäischen Markt ein sattes Fundament gab. Unter dem Banner City Country fanden sich neben dem von den Ozark Mountain Dare Devils („If You Wanna Get To Heaven“) stibitzten Titelsong „Raise To Hell“ die Southern-Rock-Partykracher wie „White Trash“ und „Down In Dixie“, aber auch Countrytainment mit Singalong-Charme, HipHop-Aromen und Pop-Appeal. Eine wahre Wundertüte, aus der die Musiker auch bei ihren Gigs entsprechend Gebrauch machen und die Zugaben noch mit Rock’n’Roll-Classics von den Beastie Boys, Electric Light Orchestra und Kansas abschmecken. Im letzten Jahr folgte mit „Gold“ ein Album, auf dem HER ihr Terrain noch drastischer erweiterte und mit einem Potpourri aus Pop und Bubblegum, Dance und Rock, Country und HipHop aufwartete, das weniger auf Gitarren als auf Beats und Grooves aus der Electro-Schmiede setzte. Kaum zu glauben, dass HER ausgerechnet Nashville als neue Wahlheimatstadt auserkoren hatten.

Auch das neue Album „Revolution“, das in Deutschland mit ein paar brandneuen Songs als „Special Edition“ erscheint, klingt eher nach dem Kalifornien einer Pink, Katy Perry oder Miley Cyrus als nach Countrystaub und Westerndunst. Der Titelsong, eine krude peitschende Mischung aus den Banjoklängen des Sklavenaufstands und schwerem Rockgewitter, klingt wie geschaffen wie für „Game Of Thrones“, sollten die Macher dieser Megaserie mal einen zünftigen Rocksong brauchen, um einen Aufstand musikalisch zu untermalen. „Crush“ kommt mit einem aufreizend provokanten Schwarzweißvideo daher, in dem vor allem an den knutschenden Nonnen konservative Gemüter Anstoß nehmen dürften. Gerade in einem Land, in dem so Trampel wie Trump mit der Präsidentschaft drohen, ist es Freigeistern wie HER eine besondere Freude zu provozieren. Erst kürzlich sagte sie in einem Interview: „Ich habe das Gefühl, dass ich stellvertretend für viele rebellische Frauen stehe. Ich schreibe Songs und erzähle Geschichten über Themen, die viele zu schockierend finden oder erst gar nicht drüber sprechen. Ich erhebe gerne meine Stimme und spreche für alle, die dies nicht können. Das ist, wofür HER steht.“ Ein klares Statement, bei dem nicht vergessen sollte, dass HER in erster Linie eine erstklassige Entertainerin ist, die den Rat ihres Vaters „Give them something to remember“ wahrlich stets beherzigt.

Und an weiteren erinnerungswürdigen Momenten mangelt es auch dem von Caleb Sherman produzierten Album „Revolution“ nicht. „YOU“ erinnert in seinem Drive und Überschwang an die großen Roxette-Hits der Achtziger, aber auch hier gilt, HER ist sich für keine Reverenz zu schade. Sie machen einfach das Beste daraus. 

„Only One“ demonstriert, wie man aus klassischen Riffs und einer griffigen Melodie einen taufrischen Hit in spe produziert – und was für eine leidenschaftlich intonierende Rock’n’Roll-Stimme ihr blonder Wildfang hat. Auch mit „Damn“ greifen HER in die große Gefühlskiste und lackieren diese Rockballade mit metallic-leuchtenden Gitarrensoli. Zwischen den Rock-Grooves von „No Regrets“, die mit so breiter Brust wie weiland die Red Hot Chili Peppers daherkommen, und dem Bubblegum-Trash-Pop von „Mean Man“ geben HER dem Affen wieder ordentlich Zucker. 

Für die anstehende Deutschlandtournee im Mai und Juni 2016, die fünfte (!) innerhalb weniger Jahre, ist die Band jedenfalls bestens gerüstet. Für jeden der insgesamt 22 anstehenden Gigs hierzulande hat die Band einen eigenen Videospot gedreht – kleine, delikate Tour-Trailer, die die Vorfreude auf die garantiert exzellenten Liveshows anheizen dürften. 

Die Kunst der guten Dinge: eine weitere friedliche Revolution im Anmarsch...

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