HER (& KINGS COUNTY) | GOLD

  • Roachford

"HER bridges the gap between electro-heavy pop, country elements and classic rock, where many others have failed, rapidly moving her musical credibility towards excellence."

Gerade erst haben HER & Kings County mit Bravour eine Clubtournee durch Deutschland absolviert und dabei jede Menge Staub aufgewirbelt. In einer furiosen Country-Rock’n’Roll-Stampede galoppierte die sechsköpfige Band aus Brooklyn, New York in ihren begeisternden Shows durch ein Programm, das einerseits alle Highlights ihrer hochgelobten Retrospektive „Raise A Little Hell“ präsentierte, also ein zündendes Gebräu aus Country, Southern Rock, HipHop und allem, was die pure Freude an AC/DC-Riffs, Banjo-Wahnsinn und Cajun-Euphorie so hergibt, andererseits gab es bereits einige Kostproben aus dem nun auch hierzulande erscheinenden neuen Studioalbum „Gold“, das die Band unter dem prägnant gekürzten Bandnamen HER veröffentlicht. In der Kürze liegt in diesem Fall tatsächlich eine Menge Würze – denn bei allen Southern Rock und Country-Konnotationen ist „Gold“ ganz großes Pop-Entertainment oder, wie die Coyote Music Review lax und locker konstatiert:
„a Helluva lotta Fun“. 

Das Augenmerk bei HER liegt – nomen est omen – auf ihrer Leadsängerin, die eigentlich Monique Staffile heißt und nicht nur über eine unglaublich prägnante Stimme verfügt, sondern mit ihrer ansteckend guten Laune jedes Publikum in ihren Bann zieht. Die sympathische Sängerin legt, ganz gleich ob im Studio oder auf der Bühne, jedes Mal eine energiegeladene Performance an den Tag, dass es nicht wundert, dass die schreibende Zunft zu verwegenen Vergleichen wie „Joan Jett auf Country-Koks“ greift und Affinitäten zu Steven Tyler ebenso zu erkennen meint wie zu Taylor Swift. Die Frontfrau mit der langen blonden Mähne darf sich in ihrer stilistischen Flexibilität und beeindruckenden Dynamik tatsächlich irgendwo zwischen Dolly Parton und Lady Gaga verorten, verkörpert sie doch eine perfekte Mischung aus Tom Boy und Rock Vamp, Biker Lady und Femme Fatale. Dass die fünf mit allen Wassern gewaschenen Musiker wie eine Eins hinter ihrer Leadsängerin stehen, versteht sich von selbst, aber diese Haudegen  beherrschen selbst das Rock’n’Roll-Entertainment aus dem Effeff und lassen es mit ihren Riffs, Beats und feinen Soli richtig krachen. 

Jetzt legen HER noch einmal eine Schippe drauf. „Gold“ hat eindeutig mehr Pop-Appeal als alles, was die Band bis dato an Songs unter dem Banner City Country veröffentlicht hat. Das sieht auch das amerikanische Musikmagazin Video Music Stars so: „HER schließen die Lücke zwischen electro-schwerem Pop, Country-Elementen und klassischem Rock, woran viele andere gescheitert sind, und sie werden bei all ihrer musikalischen Credibility immer exzellenter.“ Aufgenommen haben HER ihr Album in Nashville, ihrer neuen Wahlheimat. Alle Songs haben Monique Staffile und Caleb Sherman, die die Band auch seinerzeit gegründet haben,  gemeinsam geschrieben, bewähren sich hier einmal mehr als pointenreiches Autorengespann. Caleb, ein begnadeter Multi-Instrumentalist, hat den Longplayer auch produziert. In den zehn Songs steckt alles drin, was ein perfektes Potpourri aus Pop und Bubblegum, Dance und Rock, Country und HipHop aufbieten kann, wobei jeder Song für sich auf Hochglanz getrimmt und auf den Punkt produziert ist.

„Gold“ ist ein höchst abwechslungsreiches Album, bei dem jeder Song eine neue stilistische Wendung nimmt, ohne dass der Esprit ihrer Southern-Rock-Ursprünge verloren geht. „Mine All Mine“, der Opener, zitiert „Going To The Chapel“ von den Dixie Cups und setzt ein erstes knallbuntes Ausrufezeichen. Der Song über eine ungewollte Schwangerschaft strahlt genau jene Doo-Wop-Fröhlichkeit aus, die auch Meghan Trainors „All About The Bass“ zum Welthit avancieren ließ. „Tramp Stamp“, ganz im Candy-Style einer Katy Perry als definitiver Dancefloorfiller zu verorten, widmet sich dem in unseren Regionen als „Arschgeweih“ bekannten Tattoo und spinnt daraus die Geschichte, was passiert, wenn man einen Verflossenen genau dort verewigt hat. 

Der Titelsong „Gold“ ist indes eine perfekte Hybride aus Southern-Rock und HipHop, den HER so gut beherrschen wie sonst nur noch Kid Rock, mit dem die Band auch schon getourt ist. Zwischendurch schlagen HER auch ruhige Töne an, wie in der zärtlichen Liebeserklärung „Separately“, ein verführerischer Slow Waltz deluxe. „(Come On) America“ feiert das Land of Hope and Glory mit Gute-Laune-Rock, dessen Refrain zum haltlosen Mitgröhlen wie geschaffen scheint. Ein Heidenspaß. Überhaupt überzeugen HER immer wieder mit aberwitzigen Songs, sei es, wenn sie in „Ring“ die Tücken einer festen Bindung persiflieren, in dem Groove-Monster „Jimmy Jones“, einer weiteren perfekten Symbiose aus HipHop und Country, einen Gigolo abfertigen, oder in „Betty Ford“ ihren ganz eigenen Rehab-HipHop-Highball-Pop zelebrieren. Mit „Addicted“ haben HER selbst einen Westcoast-Eighties-Popsong am Start, wie sie die Bangles in ihren besten Tagen geschrieben haben. Den krönenden Abschluss bildet mit „Alive“ eine gloriose Rockhymne, die das Leben feiert – und mit einem selbstironischen Augenzwinkern die Band auch sich selbst. 

HER haben mit ihrem Album „Gold“ ihr künstlerisches Spektrum um etliche pfiffige Facetten und Finten bereichert, wobei ihnen das Kunststück gelungen ist, trotz aller Diversität ihren ganz eigenen Charme und Charakter zu bewahren. Sie schürfen hier zwei Hand voll Pop-Nuggets ans Tageslicht, die glänzen und funkeln, dass es schon blendet. Mit diesem Meisterstreich ist diesen modernen musikalischen Goldgräbern der Sprung auf das Siegertreppchen des perfekten Pop-Entertainments gelungen. „Gold“ sei dank dürfte HER nun die Welt offen stehen. Spaß ist schließlich eine ansteckende Sache und diesbezüglich ist „Gold“ fürwahr im höchsten Maße infektiös.

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