Gabby Young | Biografie

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Gabby Young | One Foot In Front Of The Other

Gabby Young ist eine faszinierende Persönlichkeit. In ihrer kunterbunten musikalischen Galaxie, einer Mischung aus World Music und Pop, Cabaret und Chanson, spiegeln sich der Aberwitz von Pippi Langstrumpf (ein Vergleich, zu dem auch Gabbys knallrote Haare animieren) und die Form- und Farbenfreude eines Cirque du Soleil wider. Ihre Musik bereichert sie kongenial um theatralische Kostümierungen und Accessoires zu einer Art Gabby`s Wonderland. Mit „One Foot In Front Of The Other“ erscheint nun nach den allerorten über den grünen Klee gelobten Alben „We're All In This Together“ (2010) und „The Band Called Out For More“ (2012) das dritte Studiowerk, das nach der schrillen Dynamik des Vorgängers erstaunlich introspektiv klingt und geradezu vertraulich-familiär wirkt. Natürlich gibt es auch hier den ihr so eigenen Circus Swing, ein Genrebegriff, auf den sich die Journaille angesichts ihrer schwungvollen Stilmixturen geeinigt hat – allem voran die Single „I've Improved“ und das Grande Finale „Back Where We Started“ -  aber es überwiegen doch die intimeren, fragileren Songs, die das Gesamtkunstwerk Gabby Young um beeindruckend anmutig-sinnliche Momente ergänzen. „Die Songs sind sehr persönlich. Es gibt da Dinge, über die ich singe, über die ich mit meinen engsten Freunden nicht reden würde, was komisch klingt, zumal ich es ja nun irgendwie allen erzähle.“

Gabby Young scheint die Gegensätze zu lieben. Das liegt vielleicht auch in ihrer Natur. Einerseits ist sie der offenherzigste Mensch, den man sich vorstellen kann – und liebt es, wenn ihre Konzerte zum Happening geraten und sie danach noch mit den Fans stundenlang plaudern kann. Andererseits meidet sie Menschenmengen und die Gemengelage von Bars und Pubs tunlichst. „One Foot In Front Of The Other“ beginnt mit einem den Fans altvertrauten Song „Sur La Lune (...A French Ditty)“, ein Lied über die Magie und das Mysterium des Mondes, der in den meisten Kulturen der Inbegriff des Weiblichen ist und dem eine solch adäquat romantische Pianoballade gut steht. Nicht von der Hand zu weisen ist hier auch die Affinität zu Edith Piaf, die zu den ganz großen Idolen von Gabby Young zählt. Das Zentralgestirn Sonne dominiert hingegen das Albumfinale „Back Where We Started“, komponiert von ihrem langjährigen Lebenspartner, dem Gitarristen Stephen Ellis, der das neue Album auch produziert hat. Hier ziehen Gabby Young & Other Animals musikalisch alle Register und spielen sich mit Calypso, Bläserkaskaden und Konga-Beats in einen Rausch, der ahnen lässt, dass spätestens an diesem Punkt bei den anstehenden Konzerten der ganze Saal ekstatisch tanzen wird.

Auf die Tanzfläche bitten denn auch das von einer luftigen Brise Balkan aufgefrischte „Time“ und die Single „I've Improved“, die, ausgestattet mit einer infektiösen Melodie, einmal mehr Gabbys Qualitäten als große Entertainerin demonstriert. Schließlich darf in dieser Reihe „The Devil Has Moved In“ nicht vergessen werden. Inhaltlich ist dies eine Abrechnung mit der Musikindustrie, die in einst ambitionierten Künstlern die Geldgier weckt, damit diese schließlich vom Malstrom des Mainstream geschluckt werden. Ruhm korrumpiert, um es auf den Punkt zu bringen. Musikalisch steigert sich die Band in einen entsprechenden Furor, schwindelerregender Reigen und diabolischer Walzer zugleich. Und wo der Teufel ist, da ist sein Gegenpart nicht weit. Doch „Saviour“ ist keineswegs ein religiös konnotiertes Lied, sondern eine Ode an die Liebe, konkreter an den Liebespartner, den Retter und Erlöser.

Damit sind wir schon bei den beschaulicheren und intimeren Songs. Dazu gehört auch „Fear Of Flying“, ein Lied über die Angst vor der Flugangst (noch hat Gabby keine). Kompositorisch war sie vielleicht noch nie so nahe an Joni Mitchell dran. Zeitlos schön und eine stellare Momentaufnahme lupenreiner Gesangskunst. Noch wehmütiger, und die Sehnsucht nach der Heimat perfekt zum Ausdruck bringend, beeindruckt „Another Ship“ mit Sirenensphären und anderen maritim-folkloristischen Motiven. Der Titelsong „One Step In Front Of The Other“, melancholisch bis ins Mark, soll Menschen Mut machen, deren Leben erschüttert wurde, durch welches Ereignis auch immer. Sie wieder in die Spur bringen. Schritt für Schritt. Gabbys Gäneshaut-Manifest, denn die große Kunst der Gabby Young, die in diesem Jahr 30 Jahre alt wird, besteht auch darin, alles, was sie anfasst, mit einer optimistischen Lebensfreude zu versehen, die ansteckend wirkt.

Geboren und aufgewachsen in Bath, wo Peter Gabriel in einem Anwesen sein Real World Studio eingerichtet hat, stammt Gabby aus einer großen Familie, in der jedes gemeinsame Essen ein Fest ist, bei dem herzlich viel gelacht und geplaudert wird. Gabby ist ein Wildfang, der schon früh von der Muse geküsst wird. Mit zwölf Jahren wird sie als bis dahin jüngstes Mitglied an der National Youth Opera aufgenommen. Bereits auf dem Weg als junge Opernsängerin zu reüssieren, entscheidet sie sich anders und nimmt – inspiriert von Jazz und Jeff Buckley – in London an Open Mic Nights teil. Mit zwanzig Jahren arbeitet sie bereits an ihrem ersten Album, als eine Krebsdiagnose ihr ganzes Leben von heute auf morgen auf den Kopf stellt. Gabby gewinnt den Kampf gegen die Krankheit und geht 2008 mit ihrer eigenen Band, den Other Animals, noch einmal an den Start. Das Konzept, von Akkordeon über Banjo und Mandoline bis zur Posaune und Trompete musikalisch alles in einen Topf zu werfen wie bei einer Ratatouille, geht auf. Gleichzeitig erwirbt sie sich – dank der gemeinsamen Design-Arbeiten mit ihrer Freundin, der Stylistin Katie Antoniou – einen Ruf als angehende Fashion-Ikone. Gabberdashery heißt ihre Online-Boutique, die eher wie eine Künstlerkommune funktioniert und von führenden Style-Magazinen mit viel Applaus und Titelseiten bedacht wird.

Gabby Young gehört zu der Generation junger Künstlerinnen, die alle Möglichkeiten einer multifunktionalen Welt voll und ganz zu nutzen wissen. Das neue Album „One Step In Front Of The Other“ hat sie zum Teil über Kickstarter durch Crowdfunding finanziert. Schon jetzt plant sie ein großes Event, zu dem diese Fans eingeladen werden sollen. War Gabby in jungen Jahren noch überzeugt, dass sie alles alleine hinbekommt, hat sie heute gelernt, ihr Netzwerk aus Freunden und Kreativen, das sie mit den Jahren um sich herum aufgebaut hat, sinnvollst auszuschöpfen. Selbst als Kuratorin des renommierten Londoner Southbank Festivals ist sie schon in Erscheinung getreten. Doch ihr Hauptaugenmerk – und darauf legt sie viel Wert – gilt der eigenen Musik. Und in gewisser Weise sieht sie in „One Step In Front Of The Other“ den krönenden Abschluss einer Trilogie. „Beide vorherigen Alben sind von Kritikern wie Fans supergut aufgenommen worden. Ich hoffe wirklich, dass dieses hier dieselbe Reaktion auslöst. Ich sehe die drei Alben eher als ein Kollektiv – aber das neue hat etwas Besonderes. Ich habe mich hier in jeden einzelnen Song verliebt – und das konnte ich wahrlich nicht bei den ersten beiden behaupten.“ 

 

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